In seinem Essay über das Schreiben behauptet Z., dass die europäische
Kultur ausgebrannt sei, konstatiert eine Art kulturelle Degeneration,
zieht eine Parallele zwischen der Gegenwart und Nietzsche letztem
Menschen und beschreibt seine eigene Schreib-Motivation. Sein Schreiben
ist Provokation, so auch in seinem Selbst-Zitat, in dem er das eigene
Schreiben mit eine anzüglich-sexuellen Metapher als eine Art schnellen
Akt beschreibt, der schnelle Befriedigung verschafft und nur der eigenen
Bestätigung dient. Schreiben als Lust-Abfuhr in der
Fast-Food-Gesellschaft. Hier kann man eine gewisse Selbst-Ironie nicht
überlesen. Es ist auch eine Pardodie gegenwärtiger Kultur. In Zamzows
Essay scheint eine große Unzufriedenheit mit der Gegenwart des
Schreibens durch, die auch ich zumindestens partiell teilen kann. Seine
Aussage über Täterprofile kann ich nicht recht einordnen. Es mag manche
Menschen geben, auf die das tatsächlich zutrifft: Ich denke hier
beispielsweise an Anders Breivik, aber was bedeutet es, dass man seine
Spuren so durchdacht wie möglich setzen sollte. Spielt denn das eine
Rolle, wenn man gar kein Täter werden will?
In einer Welt, in der der Markt regiert, braucht es niemanden mehr,
der wirklich denkt. Schnelle Texte, schneller Genuss, etwas Affekte,
genaue Darstellung von Sexualität. Das ist es, was es in dieser Welt
Geld und Erfolg bringt. Geisteswissenschaften studiert man, um Reisen,
Autos und I-Phone-Hüllen anzubieten. Wir leben in der Zeit seichter
Feuchtgebiete und manch einer hat die Hoffnung, sich aus dem Absurden zu
vögeln, zu kaufen oder zu verkaufen. Keine Frage, Sexualität und
Unterhaltung sind wertvoll, doch führt eine Fixierung auf Genuss und
Hedonismus und auf künstliche, materielle Ersatzbefriedigung niemanden
weiter. Ein Sportwagen ist bloß schön, Sinn dagegen ist erfüllend. In
affektiven Texten vergisst man für einen kurzen Moment die
Schrecklichkeiten dieser Welt, des eigenen und fremden Daseins, die
Absurdität der Umweltzerstörung und der Ausbeutung, des Krieges und des
Wahnsinns. Man hält sie aber nicht auf. Auf Basis des negativen,
wertenden Standpunktes zur gegenwärtigen Kultur führt Z. seine eigenen
Gedanken aus, die durch diesen Standpunkt schon einer Selbstentwertung
unterworfen sind.
Ich kann verstehen, dass man einen solchen Standpunkt hat, doch
möchte ich auch einwerfen, dass die Kultur der Gegenwart erst
retrospektiv ganz bewertet werden kann. Kafka war zu seinen Lebzeiten
kein großer Autor und viele Philosophen brauchten einige Zeit, bis ihre
Gedanken überhaupt aufgenommen wurden. Aber ich schweife ab und werde so
Z. Essay nicht gerecht. Über dieses Selbst-Bekenntnis, das auch Ironie
und Kritik ist, geht sein Essay nämlich weit hinaus. Er schreibt über
identitäts- und distanzstiftende Aspekte des Schreibens. Als Beispiel
für den distanzstiftenden Aspekt nennt er Goethe, der sein Leid im
Werther ausgedrückt hat, diese Distanz bedeutet aber sogleich auch
Identität, denn durch die Abfuhr der Gefühle, eine innere Reinigung wird
man, wer man ist, erkennt man, was man fühlt und kann es loslassen und
transzendieren.
Z. Essay endet mit der Frage, ob heutzutage noch jemand große Kultur spiele, mit dem Ganzen selbstzerstörerischen Ernst. Ist große Kultur selbstzerstörerisch? Vielleicht ist es schwierig, aber ist nicht das Unendlich-Seichte, das Degenerierte, was Zamzow im ersten Absatz anklingen lässt, letzendlich weit selbstzerstörerischer? Vielleicht bin ich ein unverbesserlicher Optimist, aber ich denke, es ist Hoffnung da, dass noch bewusst geschrieben wird.